Diagnosestellung
Die bipolaren Störungen sind Krankheiten des zentralen Nervensystems. Der Krankheitsverlauf ist durch Rückfälle geprägt mit depressiven und manischen Episoden. Diese Stimmungsschwankungen können begleitet sein durch psychotische Symptome, wie Denkstörungen, Halluzinationen, Wahn, und sind häufig assoziiert mit einem hohen Grad an sozialer Dysfunktion. Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung zeigen ein erhöhtes Suizidrisiko. Die bipolare Störung ist zudem mit ausserordentlichen persönlichen, ökonomischen und pflegerischen Lasten verbunden. Die bipolare Störung zählt zu den schweren psychiatrischen Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko bzw. die Lebenszeitprävalenz der Bipolar-I-Störung wird auf 0.3% bis 1.6% geschätzt. Die Prävalenz des gesamtem bipolaren Spektrums ist deutlich höher (5%). Bei der Bipolar-I-Störung ist das Geschlechterverhältnis etwa gleich verteilt, während bei Bipolar-II-Störungen die Frauen überwiegen. Die Ersterkrankung tritt in der späten Jugend oder im frühen Erwachsenenalter auf (15-24 Jahre). Nur der geringste Teil der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung wird überhaupt je korrekt diagnostiziert und adäquat behandelt. Man schätzt, dass nur bei etwa einem Viertel der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung eine solche überhaupt erkannt wird. Durchschnittlich dauert es vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnosestellung 5-10 Jahre. Ein Drittel aller Patientinnen und Patienten begeht Suizidversuche, 10-20% sterben durch Suizid. Obwohl den bipolaren Störungen heute viel mehr Beachtung geschenkt wird als vor 10 Jahren, bestehen noch immer Defizite im Erkennen der Krankheit, in der Diagnosestellung und in der Behandlung. Depression ist das erste Symptom, welches von der Mehrheit der Patientinnen und Patienten mit bipolarer Störung berichtet wird. Deshalb ist es wichtig, ob in der Lebensgeschichte Manien oder Hypomanien bei depressiven Patientinnen und Patienten oder in deren Familie vorkommen. Die internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) charakterisiert die Bipolar-I-Störung als eine Störung, die durch wiederholte (d.h. wenigstens zwei) Episoden charakterisiert ist, in denen Stimmung und Aktivitätsniveau der Patientin oder des Patienten deutlich gestört sind. Bei dieser Störung treten einmal eine gehobene Stimmung, vermehrter Antrieb und Aktivität (Manie) auf, dann wieder eine Stimmungssenkung, verminderter Antrieb und Aktivität (Depression). Die Bipolar-II-Störung ist charakterisiert durch das Auftreten einer oder mehrerer Episoden einer Depression zusammen mit mindestens einer hypomanen Episode. Charakteristischerweise ist die Besserung zwischen den Episoden vollständig. Rapid cycling wird als besondere Verlaufsform der bipolaren Störung betrachtet. Definiert wird es als Krankheitsverlauf mit vier oder mehr Episoden pro Jahr. Rapid cycling kann zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung auftreten.
Neurobiologie bipolarer Störungen
Eine multifaktorielle Krankheitsursache der bipolaren Störung wird angenommen. Sowohl genetische als auch biologische und psychosoziale Faktoren stehen in Wechselbeziehung. Bei den bipolaren Störungen kommt es zu strukturellen Veränderungen und funktionelle Störungen des Gehirns.
Behandlung der bipolaren Störungen
In der medikamentösen Therapie der bipolaren Störung gilt es zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe zu unterscheiden. Zur Behandlung der akuten Manie werden als Mittel der Wahl Monotherapien mit Lithium, Valproat (Depakine®) oder verschiedenen atypischen Antipsychotika empfohlen. Die Kombination einer stimmungsstabilisierenden Substanz (Lithium, Valproat) mit einem atypischen Antipsychotikum ist besonders wirksam. Bei der bipolaren Depression besteht die beste Wirksamkeit für Quetiapin (Seroquel®) und Lithium als Monotherapie. Eine Kombination einer stimmungsstabilisierenden bzw. antimanischen Substanz mit einem Antidepressivum, vor allem Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Bupropion (Wellbutrin®) wird ebenfalls empfohlen. In der Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe werden Lithium, Quetiapin, Lamotrigin (Lamictal®) zur Vorbeugung depressiver Episoden, Aripiprazol (Abilify®) zur Vorbeugung manischer Episoden, Olanzapin (Zyprexa®), Valproat, die Kombination aus Lithium und Valproat oder die Kombinationen aus Lithium oder Valproat mit Quetiapin empfohlen. Neben medikamentöser Therapie haben verhaltenstherapeutische Interventionen, interpersonelle und soziale Rhythmustherapie, sowie Psychoedukation einen hohen Stellenwert.